Möwe Fricka

Lieber Leser,
Hier siehst du mich fliegen und kreisen, jaaaaaaa hui daaaaaaa aaaahhhhh.

Herrlich ist das, wenn der Wind sanft meinen Bauch streift und die Federn plustert oder mich im Spiel der Böen neckt. Ab und an lande ich an Stränden oder auf den Wellen und lasse mich von den Ozeanen dieser Welt schaukeln.
Wenn die Sonne am Horizont verschwindet, es am Strand lecker nach Seegurke und Hering riecht und die ersten Sterne am Himmel den Seesternen tief im Meer zublinkern, streife ich mein Möwenkleid ab, lege es sorgfältig zusammen und bewahre es in einer verschnörkelten uralten Holztruhe auf, setze mich hin und schreibe über meine Erlebnisse.
Die Verwandlung ist mir vor zwei Sommern passiert … eines Tages … ich saß auf einem hohen Berg im Süden und konnte weit übers Tal hinausblicken. Gerade hatte ich auf einem Stein Platz genommen und die wärmende Sonne genießend, meine Taschen durchforstet nach einem Stift … da tauchten urplötzlich drei Zwerge mit langen weißen Bärten bis zu ihren Hosenbünden, schön bestickten goldenen Wamsen und rubinroten seidenen Zipfelmützen vor mir auf. Sie schienen aus der majestätischen Tanne rechts neben mir hintereinander herauszutreten. Von ihrer Körpergröße reichten sie mir bis zum Knie, waren sehr flink in ihren Bewegungen und kletterten im Nu auf einen bemoosten Felsbrocken vor mir. Sie fragten mich, ob ich ein Geschenk für sie hätte? Die drei Burschen gefielen mir sehr und ich wollte ihnen gern etwas geben und durchsuchte meine Tasche: „Kaugummi?“ Die Zwerge schüttelten einvernehmlich die Köpfe, dass die Zipfel der Mützen hin und her wackelten. Einen Apfel? Wieder die gleiche Reaktion. Also nichts Essbares dachte ich bei mir und holte mein Schnitzmesser hervor und bot es an. Die drei prüften daraufhin sorgfältig die Klinge und den Mechanismus, sie einzuklappen und wieder auszuklappen … in diesem Moment schwebte tanzend eine weiße Möwenfeder vom Himmel herab und landete zwischen meinen Füßen. Ich schaute nach oben, blinzelte gegen die Sonne und konnte jedoch keinen einzigen Vogel entdecken.
Zwei der Zwerge klappten das Messer gemeinsam zusammen, nickten und der dritte Zwerg wendete sich mir zu und fragte, ob ich einen Wunsch hätte. Die Feder in meiner Hand betrachtend, sagte ich, dass mir schon immer vom Fliegen träumte und ich die Vögel bewundere. Da sagte der Zwerg, mit einem fein klingenden Stimmchen: „Diese Feder wird dich ganz einfach, wenn du magst, in eine Möwe verwandeln. Du musst sie nur in dein Haar stecken.“
Lieber Leser, hättest Du nicht auch daraufhin sogleich die Feder in Dein Haar gesteckt?
Tatsächlich wuchsen mir blitzschnell Federn und Schwingen, ich schrumpfte … was wahnsinnig kitzelte … bekam einen Schnabel … und wurde zu einer Möwe. Der Zwerg schaute mich prüfend an und sagte noch, wenn ich meine menschliche Gestalt wieder haben wolle, müsse ich nur meinen Kopf unter die Flügel stecken, mich einmal im Kreis drehen und würde mich so wieder in meine Menschengestalt zurückverwandeln. Ich probierte mich sogleich als Vogel aus, schlug mit den Flügeln, stieg tatsächlich hoch in die Lüfte und begann über dem Berggipfel zu kreisen und konnte in der Ferne das Meer glitzern sehen. Nun kamen weitere Möwen hinzu und wir kreisten und kreischten begeistert über den sonnigen Tag, das Fliegen und hoch hinauf treiben lassen und darüber, voll Freude und Dankbarkeit ein lebendiges Teilchen eines groooooßen Ganzes zu sein.
So fliege ich zu geheimnisvollen Orten wie durch ein Himmelstor und erlebe Abenteuer mit meinen lieben Freundinnen im Regenbogenland und in anderen Dimensionen und Welten, in denen ich mich Zuhause fühle.
Als Vogel verstehe ich den Klang und die Sprache von allen Wesen und bin die Möwe Fricka, die Freie, die die Weite liebt.

Wenn ich mein Federkleid ablege, werde ich zur Menschenfrau Claudia.
Als Claudia arbeite ich mit Kindern im Grundschulalter und erfreue mich an ihren Spielen und Wahrnehmungen.
Ich liebe Kinder, Tiere, Pflanzen, Wiesen, Wälder, Gewässer, Hügel, Sprachen, Schreiben und tausche mich gern mit Palermo – dem roten Kater, der uns begleitet und der Linde vor meinem Fenster aus.
Lieber Leser, vielleicht magst Du Dir eine kleine frische Prise um die Ohren wehen lassen? Ja? … dann magst Du vielleicht meinem Möwensong lauschen …
So eine Möwe ist schon ein Watz,
Sie kreist und kreischt
Und landet und ruft
Den Winden zu …
Am Strand die leckenden Wellen.
So eine Möwe ist schon ein Watz
Es kam eine zweite schnell gelandet.
Und nun brüllen sie sich zu
„Hast du’ nen Fisch?“
„Nee Klippenschieter und du?“
So eine Möwe ist schon ein Watz,
die Hühnergötter kichern,
über die gefiedert segelnde Kühne
die sandige Bühne ist eine Düne,
doch der Fisch ist nun nur für mich.
Musik: suno.com
